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Krumpeliges Bettlaken – Lencois Maranheses

In Manaus verbrachten wir einige Tage bei einem netten Couchsurfer und hatten die Chance diese ungeahnt riesige Stadt in der Mitte des Regenwalds ein wenig besser kennenzulernen. Mit 1,8 Mio Einwohnern und einer Menge Industrie ist die Stadt sehr beschäftigt und scheint nirgendwo zu enden. Wenn man allerdings doch ihren Rand ausversehen findet, ist dort nur noch grün in alle Richtungen.

Eine coole Sache war hier das Regenwald-Museum, welches im Prinzip einfach der Regenwald selbst ist. Es gibt verschiedene Pfade, Plattformen zum Erklimmen, einige eingespeerte Tiere wie Schmetterlinge, Schlangen und Fische. Aber genauso all die Tiere, die eben normalerweise auch im Regenwald wohnen. Denn hier ist man einfach in der Mitte des Geschehens. An Hand verschiedener Tafeln werden Dinge erklärt, biologisch vor allem. Zum Beispiel wie der Boden des Waldes funktioniert, viele Informationen über Brände und Fällungen, aber auch über Tier- und Pflanzenarten.

Interessiert hat uns dabei besonders der originale Name, die ursprüngliche Nutzung der Pflanze/Infos übers Tier und ihre mythologische Bedeutung. Oft gibt es ganze Geschichten nur zu der Namensentstehung einer Frucht oder eines Fisches. Ein Teil war ausschließlich den verschiedenen Stämmen gewidmet, die noch immer ziemlich unerforscht und unbesucht in mitten des Amazonas- und Djungelgebietes leben.

Über Alltag, Riten, Nahrungsmittelherstellung, ihren Glauben und Sagen (mit Zeichnungen) konnte man lesen. Spannend waren die Gegenüberstellungen der gleichen Geschichte dokumentiert von zwei unterschiedlichen Stämmen.

Nach fünf Tagen Manaus fanden wir uns auf dem nächsten Boot wieder, welches deutlich schäbiger, teurer und leider auch langsamer war. Schon zu Beginn wurde Thiago direkt das Handy geklaut. Schön zu sehen war, dass die ganze Passagiergemeinschaft sich von allein um die mittellose indigene Familie kümmerte. Viele kamen vorbei und gaben Lebensmittel ab oder kauften allen Kindern etwas Süßes oder brachten aus der Kantine mehrere Mittagessen zu ihnen. Als wir ankamen gaben Menschen alles, was sie nicht mehr brauchen würden oder übrig hatten ebenfalls ab. Thiago erklärte mit aller Geduld, dass man nicht jedes Mal einen neuen Plastikbecher braucht, wenn man Wasser trinkt (das ist gratis) und besorgte für jedes Kind eine Plastikflasche, brachte allen bei den eigenen Namen zu schreiben und spielte mit ihnen.

Ein verstörendes Bild entstand als wir kurz vor Belem in ein Gebiet gerieten, welches zweifelsfrei von sehr armen indigenen Menschen besiedelt war. Die Personen setzten sich zu zweit oder auch zu fünft in Kanus mit oder ohne Motor und fuhren in Richtung Boot. Die Passagiere versammelten sich auf dem obersten Deck und schmissen verschiedene Dinge in Plastiktüten eingewickelt in den Amazonas, um zuzusehen, wie ihr Päckchen aufgesammelt wurde.

Einfach nur so beschrieben klingt das erstmal nicht so falsch. Der merkwürdige Eindruck festigte sich bei Thiago und mir durch die belustigten Gelächter der Menge an Deck – als würden sie eigenartige Tiere beobachten. Wir sind uns unsicher über die Hintergründe dieser Tradition, doch die Geste schien herabwürdigend. Einige Leute konnten wir unschwer direkt als Arschlöcher einschätzen, denn sie lachten diejenigen aus, die in ihrem Kanu kein Päckchen abbekamen.

Angekommen in Belem, fuhren wir direkt weiter nach Sao Luis. Am nächsten Tag ging es per Anhalter zu unserem Couchsurfer in Barrerinhas weiter, endlich on the road again.

Lencois Maranheses bedeuten übersetzt Bettlaken von Maranhao (der Provinz). Neben dem Meer gibt es einen Nationalpark in besagter Provinz, eine weiße Wüste mit blauen kleinen Lagunen. Sie sind sehr viele, aber nicht sehr tief, also scheint das weiß von unten durch und der Himmel spiegelt sich im Wasser wieder. Deshalb sieht das Ganze von weiter oben betrachtet aus, wie ein faltiges Bettlaken:

aus der Reihe: Bilder mit Ameisen

Und weil es zu viele schöne aber gleichzeitig zu ähnliche Bilder gibt, bitte in der Galerie den Rest betrachten (Bettlakenbilder).

Die zahlreichen kleinen und wenige sehr großen Seen sind gefüllt mit Süßwasser und entstehen in der Regenzeit zwischen Januar und April. Deshalb ist Oktober einer der letzten Monate, in denen überhaupt noch Tümpel vorhanden sind. November bis Januar verschwinden viele Seen komplett und nur einige große können von Touristen besucht werden. Heiß ist es hier am Äquator ohnehin das ganze Jahr lang und hineinspringen darf man auch.

Der Park ist übrigens direkt am Atlantik. Wenn man hier jetzt also ungefähr 30km immer geradeaus ginge, stünde man im Meer.

Die Lencois auch hier völlig ungebügelt

Der Sand ist weiß und reflektiert die Sonne, darum ist er zwar nicht kalt, aber auch nicht heiß. By the way es gibt einige bedrohte Tierarten, die in diesem Park leben. Unter anderem einen Fisch, der sich die Trockenzeit lang im Schlamm einbuddelt. Witzig!

Neben der Chapada Diamantina (in der Provinz Bahia), dem Regenwald und Iguazu (der große Park befindet sich allerdings in Argentinien, zählt also nicht ganz) vermutlich eine der drei schönsten Landschaften, die man sich in Brasilien ansehen kann.

Der Nachteil, man muss sehr weit in den Norden reisen. Außer für ein wenig lokalen Tourismus ist das Dörfchen sehr schlecht vorbereitet. Wir waren natürlich glücklich bei unserem Couchsurfer und hatten eigentlich vor, von der weniger besuchten Seite aus einfach hinein zulaufen. Das Dörchen dort heißt Santo Amaro do Maranhao, aber leider gab es kaum es außerhalb der Saison kaum Möglichkeiten dorthin zugelangen. Außerdem bekamen wir von einer Freundin unseres netten Couchsurfers Rabatt auf den Trip und wir hatten ja schon den Schlafplatz. Geldmangel, Zeitdruck und Faulheit gewannen also die Oberhand.

Wenn jemand allerdings in der Saison hinfährt, ist sehr zu empfehlen von oben benannten Dorf aus die 2km einfach alleine in den Park zulaufen. Vielleicht muss man dann irgendwo ein wenig Eintritt zahlen, aber es wäre uns so lieb gewesen, ohne die Menschenmassen und den ganzen Tag dort zu bleiben. Aus dem Dorf Barrerinhas, das etwas größer ist, gibt es verschiedene Touren. Allerdings muss man mit Sandbuggies erstmal die 15km oder so bis zum Beginn der Dünen durch Sandlandschaft mit einige Behausungen und die sehr dornigen relativ niedrigwachsenden Cajú-Bäume fahren.

Exkurs Cajú: Die Caju ist nur eine der unglaublich vielen leckeren Früchte die vor allem aus dem Amazonasgebiet/Norden Brasiliens kommen. Die Nuss Cajú oder wie wir sie nennen Cashew ist die echte Frucht, die unten an der „falschen Frucht“ dranhängt. Die falsche Frucht ist gelb/rot/orange und sieht nicht etwa aus wie Gummibärchen, sondern wie ein etwas länglich gewachsener Apfel, der mit dem dickeren Ende nach unten hängt.

Das Fleisch allerdings ist säuerlich und etwas mehlig – zugleich ähnelt es der Konsistenz von Brotpudding (ist immer leicht einzudrücken) und ich hätte ziemlich viel Lust damit herumzuexperimentieren. Bestimmt kann man es in irgendeiner Form gut als Eiersatz in der veganen Küche verwenden. Ich machte ein Chutney daraus, war janz jut. Typischerweise bekommt man die apfelähnliche Frucht in Brasilien eigentlich nur als Saft angeboten (mit ca. 500g Zucker pro Glas). Unser Couchsurfer in Manaus aß sie allerdings auch gerne roh, so wie ich. Damit sind wir die einzigen beiden auf der Welt.

Thiago machte einen Wettkampf daraus, während der Fahrt Cajús vom Baum zu pflücken, die wir dann zur Trophäe mitnehmen konnten. Auf dem Rückweg fanden wir zusätzlich noch eine unreife Kokosnuss zum trinken. Jippie!

Back to the future: Als wir am Anfang des Lakens ankamen, war es mal wieder wie auf dem Bazar. Etliche Leute boten Tapioka an: eine Art Pfannkuchen aus mit Wasser vermengter grob geriebener Maniokwurzel, welche wir in Deutschland nur als Maniokstärke verwenden.

Exkurs Maniok: Die Wurzel selbst, sieht aus wie ein langer Stock mit brauner Rinde und weißem Inneren, sie ist bestimmt schon von mir erwähnt worden (in Peru bestimmt?!). Sie hat viele Namen in Brasilien, unter anderem: Mandioca, Macaxeira, Aipim und „Brot-der-Armen“. Sonst in Lateinamerika bekannt als „yuca“ und im Deutschen „Maniok“ oder auch „Yuca“. Sie wird von den Stämmen, die im Regenwald leben schon seit jeher als Hauptnahrungsmittel verwendet, in verschiedenen Formen: als Fladen, am Stück gekocht (sehr Kartoffel ähnlich mit Fasern in der Mitte), oder als „masato“, fermentiertes Getränk. Auch in der restlichen Bevölkerung vor allem der oberen Hälfte Lateinamerikas ist Mandioca mit Mais, Reis und Platano (Banane!) zusammen eines der Hauptnahrungsmittel.

Tapioka gibt es in ganz Brasilien zu essen, auf der Straße wie Crepes am Stand zu kaufen oder die geriebene Wurzel als grobes Mehl im Supermarkt eingetütet. Die grob gesiebte Mandiokamehl-Wassermasse wird ohne Fett in der Pfanne gebacken und dann salzig mit Trockenfleisch/ Käse/ Butter angeboten oder süß mit (brasilianischer) Kondensmilch/ Kokos/ Doce de Leite/ Schokolade/ Erdbeere/ Banane. Wir ersetzten unsere in Kolumbien erfundene Tradition Arepas (Maisfladen) zu frühstücken eins zu eins mit Tapioka. Tatsächlich war es unser Couchsurfer in Barrerinhas, der uns genau erklärte, wie das Tapiokamehl gemischt sein muss und wie man sie bäckt. So ein liebes Kerlchen und voll der kluge Typ!

Weiter geht es am Anfang der Lencois. Einigen Leuten ging es nach der wackeligen halbstündigen Fahrt durch Sand gar nicht mal so gut. Leider war es außerhalb der Saison trotzdem brechend voll. Etliche Sandfahrzeuge standen in dem Fake-Dorf herum.

„Dorf“

Überall gab es Cashewnüsse, Cafe, Tapioka und alles mögliche andere zu kaufen. Schade. Wat soll ma machen. Da haben wir mal wieder gedacht, das wird in Brasilien vielleicht etwas anders. Dafür kann man wirklich sagen, dass es hier sauber war und auch niemand anstalten machte, seinen Gratis-Minikaffeebecher hinter sich zuschmeißen. Und es waren die leckersten Cashewnüsse, die wir je gegessen haben!

Dann kamen endlich die ersten Beschwerden darüber, dass man ja jetzt tatsächlich laufen müsse. Hier lang:

Die Düne hoch, an der hing sogar ein dickes Seil dran. Einmal hochgekrabbelt und plötzlich: BÄM!

Haben wir wieder die Pillen vergessen oder doch zu lange an den lustigen Macaxeirablättern rumgelutscht? Welcome to Wonderland.

Alles in weiß und blau.

Und dann ging die Sonne unter.

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