Pilze (zum Essen) und Wanderung
August 10, 2019
Okay ich hab doch von vorne angefangen und bin nun erst in Peru angelangt.
Also dann mal los, kurz wird es bestimmt nicht diesmal. Wer nichts von Pilzen wissen will schliesst jetzt besser die Augen fuer ein paar Paragraphe. Leider habe ich ausschliesslich Photos von der Wanderung und sie sind ausserdem alle von Alex geschossen.
Uns hat ein Monat Cuzco unheimlich gut gefallen, nicht einmal die Stadt selber sondern die Doerfer drum herum im heiligen Tal (Valle Sagrado). Wir hatten eine sehr tolle Zeit in Calca, es ist traumhaft schoen dort und wir sind viel gewandert und ich habe in einem guten Restaurant aushelfen koennen (IFK Lodge, welches in Lima eine noch bessere Version namens IK hat, wer mal moechte ist sehr empfohlen). Ausserdem haben wir ein Voluntariat mit Workaway auf einer biologischen Pilzfarm gemacht. Das war extrem harte Arbeit, wahnsinnig interessant und total lecker. Es gab zwei Teile der Pilzfarm, eine fuer essbare Pilze und Sprossen in welcher wir arbeiteten. Hier lernten wir von 0 an wie wir das Heu (welches wir auch ernteten, ueber 1000 Ballen, die in Wirklichkeit Bloecke waren, haben wir auf einen Laster geladen mit der schoensten denkbaren Hintergrundkulisse des Ortes Moray) mit den richtigen Dingen mischen.
Naemlich mit Wasser, Duenger (Schalen von Erbsen und Bohnen unter anderem, um Abfallprodukte der anderen Bauern zu verwenden) und etwas natuerlichen Kreideartigen. Danach wurde das ganze in grosse Saecke gepackt und 5 Stunden lang mit Dampf in einem Haeuschen sterilisiert. Das war der Prozess eines Tages (Montag).
Dienstags mussten das sterilisierte Heu zu den Pilzsaecken verarbeitet werden. Dazu mischten wir den fertig gereiften Pilz, also genaugenommen einen Sack Sporen, auf einem riesigen Tisch mit in einem zumindest theoretisch sterilisierten Raum (war er nicht, wer haette das gedacht… man tut was man kann) mit dem Heu aus der Dampfkammer. Die Mische musste dann so eng wie moeglich in Plastikschlauche gestopft werden und mit sterilisiertem Messer bekamen die Saecke ein paar Loecher. Die Saecke mit Datum und Pilznamen wanderten in eine Hitzekammer fuer mindestens eine Woche bis sie komplett weiss mit Mycelium zugewachsen sind unter ihrer Oberflaeche. So sind sie schon stark genug, um sich ein bisschen zu wehren, Pilze sind naemlich unglaubliche Sensibelchen!
Nun kamen alle Schlaeuche aus der Hitzekammer in den Inkubationssaal fuer mindestens 2 Wochen, bis der erste richtige Pilz gewachsen war. Und von hier endlich in den grossen Pilzsaal mit all seinen anderen Pilzfreunden zusammen. So ein Pilzsack hat ein Leben von zwischen 2-3 Monaten, danach ist er schwarz und gruen, schwer von Feuchtigkeit, bricht auf und stinkt, uebersaeht von Schimmelpilzen und kommt auf den Kompost. Beim ersten Anzeichen von Alter kommt der Sack sofort in den Krankensaal der alten und gebrechlichen Saecke (haha). Dort verbringt er seine letzten Tage.
Jeden Tag mussten alle Saele zuerst gewaessert werden, Pilze brauchen viel Feuchtigkeit und Liebe. Gesaeubert, denn Pilze sind sehr begehrt von allen moeglichen Tieren, dazu konnten wir eine Suppe aus Molle kochen, einer Art Rosa Pfeffer, der ueberall waechst und die Saecke damit bespruehen, geerntet, denn sie wachsen unheimlich schnell und danach geschnitten, separiert und verpackt werden. Danach mussten sie zu allen Kunden in den herumliegenden Doerfern geliefert werden. Thiago und ich blieben einen Monat dort, ohne viel Ahnung von Pilzen organisierten wir nach einer Woche schon die gesamte Farm, da unser cholerischer Boss auf Grund von privaten Problemen einfach fast gar nicht mehr vorbei kam. Leider ist Workaway oft ein bisschen Ausnutzerei, aber es hat uns so viel Spass gemacht mit den faszinierenden Pilzen zu arbeiten, dass wir lieber laenger arbeiteten, um den anderen Voluntaeren mehr freie Zeit zu geben, damit sie nicht vorzeitig gingen. Denn viele gingen auf Grund der schlechten Konditionen und viele wurden rausgeschmissen, auf Grund des aggressiven Mannes. Nach all der Zeit in all den Kuechen, kann ich nicht sagen, dass es etwas Neues waere.
Wir ernteten hier direkt vier Sorten Seitlinge: Pleurotus Ostreatus, Austernseitlinge in den Farben „plomo“ also blei und weiss, die Sorte Pleurotus Djamor, Rosen-Seitlinge, welche wunderschoen sind und tatsaechlich an Rosen erinnern und die Blaetterfoermigen Pleurotus Pulmonarius, Lungen-Seitlinge. Zu unserer Zeit waren die ersten Shiitake am reifen und etwas weiter draussen im Wald reifte in freier Natur der Pilz Tricholoma Matsutake, der im spanischen einfach Hongo Pino genannt wird, weil er unter dem Baum Pino waechst. Und zwar zumindest in Peru (er kommt aus Asien) nur in bestimmten Gebieten mit vielen Blitzen, welche eine chemische Reaktion in der Erde hervorrufen. Diese werden getrocknet und als Pulver verkauft und komplett von den Gemeinden der Quechuasprachigen Bevoelkerung verwaltet.
Teil des Projektes der organischen Pilze ist den aermeren Kommunen Arbeit zu geben, die Pilze in den Gemeinden als Lebensmittel wiedereinzufuehren (die Inka assen Pilze, aber heutzutage ist es ein ziemlich vergessenes Lebensmittel in Peru) um gegen die Anemie und insgesamt ziemlich Naehrstoffarme Kost vorzugehen und so viel wie moeglich regional wiederzuverwenden (z.B. das Heu, Duenger, Verpackungen etc).
Auf der zweiten Farm wurde die ganze beeindruckend komplizierte Laborarbeit getan und mit Kompost getestet, um Champignons kultivieren zu koennen. Ein sehr schwieriges Unterfangen. Ausserdem kamen von hier die noch empfindlicheren medizinischen (und halluzinogenen) Pilze, wie die weltberuehmten Reishi und Lion’s Mane, welche wahre Wunder wirken koennen. Witzigerweise sehen Reishi aus wie Kastanien und schmecken auch nussig, Lion’s Mane hingegen wie Blumenkohl. Vor allem Reishi ist bekannt fuer die unglaublich positive Wirkung auf unser Immunsystem und wird sehr erfolgreich und ohne Nebenwirkungen von Aids- und Krebspatienten verwendet, sowie gegen zahlreiche weitere Krankheiten eingesetzt.
Wusstet ihr, dass der groesste Organismus der Erde Pilz ist, mit nahezu 10 quadrat km? Jetzt wisst ihrs. Ende Pilz, alles Pilz.
Nun folgt die unendliche Geschichte:
Nein, wir sind nicht zu Machu Picchu gegangen. Weil sehr teuer, touristisch, unsympathisch und irgendwie hatten wir den Plan zu gehen als wir ankamen und mit jedem einzelnen Tag in Cuzco weniger Lust dazu.
Es gibt allerdings richtig viele Ruinen in und um Cuzco, teilweise gratis und teilweise mit Tagespass. Eine der schoensten Dinge, die wir in Lateinamerika bis jetzt gemacht haben war die Wanderung von Huacacalle nach Espiritu Pampa. Wir lernten einige super nette Leute kennen in Kallampas (so heisst die Pilzfarm, Pilze auf Quechua), zwei Schweizer Gaertner, die mehr ueber Pilze wussten als alle anderen, und einen jungen, enthusiastischen Mann aus den USA. Wir waren ein tolles Team und wurden Freunde und gingen letztendlich zu viert wandern (Thiago, Alex, Florian und ich).
Es war eine 4 Taegige Wanderung. Wir haetten es auch in drei geschafft, haben uns dann aber Zeit genommen, nicht besonders schwierig (56km) und absolut unbekannt, weshalb der Weg komplett leer war, wir trafen vielleicht zwei Leute pro Tag. Der Weg war wunerschoen, startete in der Sierra, also in den Bergen und am 3. Tag endeten wir in der Selva alta, dem hohen Jungel womit gemeint ist, der Jungel in den Bergen. Wir mussten ueber keinen einzigen Berg drueber, aber es ging natuerlich trotzdem hoch und runter, da wir quasi weiter oben am Berg entlang liefen.
Espiritu Pampa war wohl mal bekannt, Anfang 2000 und hatte viele Besucher, aber auf Grund der endlosen Werbung fuer die grossen Treks nach Machu Picchu (Salkantay und Inkatrail) und sogar dem unbekannteren nach Choquequirao (geht schnell, das ist der naechste Machu Picchu) ging Espiritu Pampa nach wenigen Jahren komplett unter.
Espiritu Pampa ist der letzte Rueckzugsort des Inkakoenigs. Leider gibt es dort 0 Turismus und dementsprechend ueberhaupt keine Info. Nicht eine Tabelle. Dafuer ist auch ausser den Dorfbewohnern, die ausschliesslich von ihren Kaffee, Kakao und Fruechteplantagen leben, keine Sau da. Nach 2 Tagen Camping in den Ruinen kam dann mal jemand vorbei um uns zu sagen, dass wir dort nicht campen sollten.
Der Rueckweg war allerdings das eigentlich interessante, denn wir wussten nicht, was wir tun. Es gibt so wenig Turismus und es hat fast niemand ein Auto im Jungel, dass es allein schon kaum eine Moeglichkeit gibt wieder zurueck zu kommen. Die Leute, obwohl unheimlich nett, sind sehr arm und denken, dass blonde Menschen (in Peru sind alle Europaeer blond) sehr viel Geld haben. Der Bus der zweimal die Woche zum naechstgroesseren Ort fuhr, fiel aus, wegen Streik. Das kam dann noch hinzu, der Streik der Farmer, vor allem des Preises der Cocablaetter wegen.
In diesen Gebieten zur Produktion von Medikamenten und sonst werden sie gekaut. Das Mafiaproblem der Farmer, die zur Kokainproduktion gezwungen werden Coca anzupflanzen besteht vor allem um Ayacucho herum, wo es noch immer viele Morde und unaufgeklaerte Verschwinden gibt, seit der Militaerdiktatur und den Massenmorden, Vergewaltigungen und Zwangssterilisierungen der indigenen Bevoerlkerung (insbesondere Frauen) in und um Ayacucho seit den 80ern. So mal eben schlecht und kurz zusammengefasst. Offiziell ist seit 2000 alles gut und es gibt keine Berichte, aber der Terror ist nicht komplett verschwunden.
Wir konnten also den Preis, den die Leute von uns verlangten, um uns kurze Stuecken weiter zu fahren nicht bezahlen (ein Verrueckter wollte tatsaechlich 1300 Soles von uns, um uns mit einem Bus in ein relativ nahes Dorf zu bringen, das sind ueber 400USD). Wir kamen aber sowieso nicht weiter, denn die sehr liebenswerten Streikenden liessen ausser laufend niemanden in die Doerfer oder aus den Doerfern raus, das war ihre Art auf sich Aufmerksam zu machen. Es war ein beeindruckendes Bild, alle Farmer aus ihren kleinen Holzhuetten in der Umgebung kamen ins naechste Dorf um dort zu streiken, alle schliefen irgendwo zusammen und kochten Mittagessen fuer das ganze Dorf. Sobald wir Fuss setzten und ihnen klar wurde, dass wir keine reichen Turisten sind, sondern Wanderer, die ihre eigenen Rucksaecke tragen, ohne Esel, Koch oder Guide, waren sie regelrecht besorgt um unsere Rueckkehr und beschenkten uns mit mehr Fruechten als wir tragen konnten, luden uns zum Dorfmittagessen ein und wollten sich sofort mit unseren blonden Gringos verheiraten ;)
Es gab keine Hochzeit, aber dafuer wanderten wir eben noch 3 Tage weiter, von Dorf zu Dorf. Trafen viele tolle Menschen und hatten endlich wieder warmes Essen im Bauch. Am 8. Tag der Wanderung (die fuer 3 geplant war) waren wir alle fertig mit Laufen und wollten nur noch zurueck. Ausserdem blieb uns allen kaum Geld und wir hatten immer weniger Hoffnung, denn jedes Dorf in dem wir ankamen empfing uns mit Liebe und guter Laune und einem Ort zum Campen, aber lies keine Autos durch und wir stellten schnell fest, dass die kleine Demonstration sich wie ein Lauffeuer von einem zum naechsten Dorf ausbreitet und jedes naechste Dorf erst seit gestern beschloss mitzumachen und alles zu verbarrikadieren.
Unser grosses Glueck war am Ende tatsaechlich die Polizei, die durchgelassen werden musste und angeblich Bericht der Situation bestatten sollte. Nur das letzte Auto einer langen Jeepkarawane hielt an und vielleicht auch nur, weil ich BITTE schrie und eine Frau bin. Aber sie nahmen uns vier mit uns schafften uns ueber 80km weiter (das waeren 3 weitere Tage laufend gewesen), zu einem Ort in dem der Streik angeblich noch nicht angekommen war. Die Situation mit der Polizei zu hitchhiken war sehr skurril, denn die Streikenden verstehend und unterstuetzend, nun in einem Polizeiauto wurden wir Zeugen der haesslichen Art und Weise der Polizisten gegenueber der Dorfbewohner und gleichzeitig wurden wir beschimpft von allen, die uns auf den Autos sahen und uns automatisch als Kumplizen einstuften.
Endlich stoppten wir Nahe des Dorfes unserer letzten Hoffnung und uns blieben nur 6km zu laufen. Einige Leute auf dem Weg sagten uns direkt, es gaebe keinen Weg hinaus, aber was sollten wir sonst tun.
Wir kamen an und uns wurde gesagt, alles waere geschlossen, aber wir wurden bemitleidet und direkt mit Essen versorgt. Bis uns letzten Endes ein Mann mitteilte, dass es sehr wohl Autos gaebe, die von der anderen Seite des Dorfes abfahren. Und somit hatten wir endlich unsere Rueckfahrt nach Calca. Unserer Fahrer war wie ueblich absolut bekloppt und wir waren alle gluecklich lebend anzukommen, nach einem kurzen Badestopp am Wasserfall.
Das war auf jeden Fall ein Abenteuer, schoen, aufregend und frustrierend, aber jeden Schritt wert.
Und die Moral von der Geschicht: Die naechste Woche gab es keine andere Moeglichkeit als den ultrateueren Zug nach Machu Picchu zu nehmen, denn alle Doerfer drumherum sprangen ein und sperrten ihre Strassen. Das unglaubliche daran? Keine einzige Nachricht, kein Bericht weder im Fernsehen noch im Radio, keine News, keine Photos, kein Hinweis darauf, dass es keine Busse nach Machu Picchu gibt, beim Ticketkauf und natuerlich keine Ticketrueckgabe.
Dieser Streik, der Wochen anhielt und sich ueberall ausbreitete, war einzig und allein unter den Taxifahrern bekannt. Brainwash