Lima
August 12, 2019
In Lima wohnten wir gar nicht so gerne. Das lag daran, dass wir vor allem ganz ernsthaft jeden Tag Angst hatten, ueberfahren zu werden. Bis jetzt gewinnt Lima den Preis fuer den duemmsten Verkehr und die idiotischsten Autofahrer. Keiner scheint wirklich ankommen zu wollen, alle sind nur darauf erpicht Laerm zu machen und irgendwen anzuschreien.
Wir wohnten hier 8 Monate und fuhren fast die gesamte Zeit Fahrrad. Wir wurden auf dem Buergersteig angeschrien, endlich Platz zu machen, wir wurden auf der Strasse mit Absicht erschreckt, angeschrien und bedroht, wir sollten endlich von der Strasse zu verschwinden und natuerlich nicht zuletzt passierte das gleiche auch auf dem Fahrradweg. Nicht empfohlen. Man koennte ja denken, dass es einfach weniger Fahrradfahrer gaebe und wenige Fahrradwege, aber tatsaechlich ist Lima gerade in dieser Hinsicht eigentlich verhaeltnismaessig fortschrittlich. Ironischerweise gibt es diese nur Dank der GIZ (Gesellschaft Internationaler Zusammenarbeit), die selbe Organisation, die mir mein Stipendium fuer die USA vergab.
Arbeiten haben wir (vor allem Thiago) auch nicht so wahnsinnig genossen in Lima, deshalb lass ich das mal weniger erwaehnt. Aber natuerlich gab es sehr schoene Dinge.
Schoene Dinge 1:
Yoga. Das beste an Lima war die Chance Yoga zu unterrichten, was letztendlich dazu fuehrte, dass ich ein halbes Jahr spaeter einen kleinen, neuen Traum erfuellen konnte mit meinem 200 Hour Yoga Teacher Training mit Fred Busch (fuer fast mehr Geld als ich hatte, aber jeden Cent wert). Es hat sehr viel Spass gemacht, ich habe unheimlich viel gelernt, ich kann es zur Zeit nicht rechtfertigen anders zu Essen als vegan, bleibe aber genauso unmoralisch wie zuvor (auch mit meiner Arbeit) praktiziere liebend gern und unterrichte auch auf der Reise bei jeder Gelegenheit. Wer moechte kann gerne eine Klasse nehmen, Alter und Beschwerden egal! Tatsaechlich wuerde ich sehr gerne jemandem die Rueckenschmerzen heilen helfen, jetzt wo ich weiss wie.
Ich nicht sagen kann, dass die Arbeit schrecklich gewesen waere, ich hatte tolle Teams in beiden Orten und das ist das Wichtigste, ich war nur eben nicht gefordert. Yogaklassen zu geben war mein Ausgleich dazu, obwohl es mein zweiter, zeitweise mein dritter job war, und wir nicht so nah dran wohnten. Waehrend ich aus Leidenschaft koche und jeden Teller so lecker und eventuell auch so schoen wie moeglich zubereiten moechte, egal ob fuer Gaeste, Freunde, Familie oder mich, ist es ein stressvoller (ich geniesse diesen Stress), sehr undankbarer, schlecht bezahlter Job in dem man selten Lob hoert (am seltensten von sich selbst) und immer nach mehr greift, nach schneller, besser, schoener, glatter und am Ende niemals ein perfektes Gericht erstellt. Denn sobald man denkt, etwas waere perfekt, versucht man nicht weiter nach oben zu greifen und dann hoert man in der Kueche einfach auf zu lernen. Man muss die schwierige Balance zwischen mehr wollen und in jedem Moment mit sich zufrieden sein erstellen und ich lerne das eher langsam.
Yoga hingegen ist in jedem Moment Liebe und Akzeptanz. Jeder Atemzug lehrt Dich, dass du genau hier richtig bist und genau so wie Du bist, perfekt bist. Das nichts fehlt und nichts besser sein koennte. Man kann sich mehr anstrengen, Variationen ausprobieren und mit sich selbst wettstreiten, aber das ist zwischen Dir und deinem Koerper. Wir sind immer alle gleich und wir sind immer alle gleich gut, egal wie wir uns verrenken oder wie viele Liegestuetzen wir machen koennen. Ich konnte fuer mich feststellen, dass Yoga unterrichten Menschen hilft und gluecklich macht und dass es mich erfuellt, weil es so unglaublich positiv und belohnend ist.
Schoene Dinge 2:
Tango. Lima hat eine kleine, sehr liebenswerte Tangoszene und ich genoss viele schoene Milongas (ganz besonders Dorotheas, welche zufaelligerweise auch Deutsche ist und sitzhaft in Lima).
Ausserdem hatte ich das Glueck Yoga- und Englischunterricht gegen private Tangostunden zu tauschen mit dem sehr geschaetzten Tangoprofessor Ariel aus Kolumbien.
Schoene Dinge 3:
Acroyoga. Lima hat eine grosse Gruppe bestehend aus Slacklinern, Surfern, Yoguis, Taenzern und Acroyoga. Teile dieser Gruppe kann man fast zu jeder Zeit immer an der selben Stelle des Parkes (Malecon, dort wo die Paraglyder abfliegen, falls mal jemand sucht) treffen und rumspielen und zu bestimmten Zeiten gibt es Klassen, die man zum Eigengewaehlten Beitrag nehmen kann. Schuld daran sind die vielen schoenen Menschen, dieser Gruppen. C. Es war eine der schoensten Dinge, die ich Lima erlebt habe und mit Sicherheit einer der Hauptgruende, neben Thiago, die mir geholfen haben ueberhaupt dort zu bleiben und die ganzen negativen Aspekte auszublenden.
Nicht zu vergessen:
Auch gut war, dass Thiago nun endlich sein offizielles Bartender Diplom hat. Das haben wir nur gemacht, weil Leute in den kommenden Laendern vermutlich eher einem Wisch glauben als den Faehigkeiten einer Person. Hat natuerlich seine Vorteile, aber ist auch laecherlich. Leider musste er dazu einen absolut sinnlosen dreimonatigen teuren Kurs absolvieren, in dem er mehr lehrte als lernte. Und das alles fuer ein Blatt Papier auf dem Bartender draufsteht. Papier, das mehr wert ist als seine tatsaechlichen Faehigkeiten, die nirgendwo aufgeschrieben sind.
Waehrend seines schrecklichen 4-monatigen Kurses, ging ich einmal mit zu einem Weinseminar. Dieses stellte sich als die schlechteste Praesentation der Welt heraus, entpuppte sich zudem als Anwerbeaktion fuer Verkaeufer (und selbst das haette man immer noch gut praesentieren koennen) und zu schlechtester letzt endete das ganze in einer Politikdiskussion (auf Grund von fehlendem Inhalt und Langeweile). Ich glaube seit diesem Seminar weiss ich etwas weniger ueber Wein…
Um noch weitere positive Dinge aufzuzaehlen, Thiago hatte fast die gesamte Zeit die Moeglichkeit am Wochenende im Bitter Cocktail Club auszuhelfen, eine wunderschoene Speak-Easy Bar mit sehr guten ausschliesslich klassischen Cocktails (nix mit Cola, Fanta, Sprite) im Stil der 60er der USA (es gibt einen Raum im Stile von „Madman“). Betrieben von 2 sympathischen Argentiniern mit viel Eleganz und Liebe, wird Limabesuchern empfohlen. Ich werde uebrigens leider nicht fuer die ganze Werbung bezahlt ;)